Wenn sich die Sonne davonmacht; wenn sie in ihrem Abgang noch einmal alles gibt und die beiden Mythen, den Wildspitz, denn Fronalpstock und all die anderen Berge ringsum in dieses unbeschreibliche Kupferlicht taucht; wenn dann im Gegenhang auch noch ein einsamer Alphornspieler eine sehnsüchtige Melodie anstimmt. Wenn das alles passiert, dann wissen Sepp und Silvia Beeler, warum sie hier oben am Rossberg daheim sind. «Wer in solchen Momenten nicht tief in der Seele berührt wird, der hat vielleicht keine», meint Sepp philosophisch.
Dankbar für das Leben
Grauvieh und…
Sepp und Silvias Gäste können jeweils fast nicht glauben, dass es solche Stimmungen noch gibt. Die beiden haben hoch über dem Dorf Steinen einen Bio-Hof. Mit Rindern wie man sie nicht oft sieht hierzulande: Kleines, stämmiges und berggängiges Grauvieh, keine hochgezüchteten Superkühe. Auch sonst ist auf dem Beeler-Hof einiges anders als auf anderen Betrieben. Mit acht Hektaren ist er viel zu klein um davon zu leben, also arbeiten die beiden noch als Coiffeuse und Magaziner in Teilzeitjobs auswärts. Und während sie weg sind, passt Sämi auf das Anwesen auf. Gut – aufpassen ist vielleicht ein bisschen viel gesagt. Sämi ist eine Seele von einem Hund. Für eine gute Cervelat würde er wahrscheinlich allfälligen Einbrechern noch zeigen, wo die Beelers ihren Hausschlüssel versteckt haben. Und er schmust fürs Leben gern.
… Schnecken
Dort, wo andere ihre Hühner halten, also irgendwo hinter dem Haus, haben die Beelers eine Schneckenzucht. Früher war das ein Betriebszweig, heute halten die beiden Schnecken nur noch für den Eigengebrauch. «Sie schmecken unglaublich gut», sagt Sepp. «Vor allem dann, wenn Silvia sie zubereitet. Mit einer Knoblauch-Kräuter-Sauce.» Fast andächtig und in Vorfreude auf das nächste Schnecken-Mahl schweigt Sepp einen Moment und fährt dann mit der Schnecken-Geschichte weiter.
Es ist eine Geschichte vom Kampf gegen Behörden und Paragrafen, um Bewilligungen für die Zucht, aber beispielsweise auch gegen Krähen und letztlich gegen Windmühlen. Sepp, der seinen Stammbaum bis mindestens 1291 mit dem Beeler-Wappen zurückverfolgen kann, erzählt diese und andere Geschichten gern und ohne Bitterkeit. Wenn die Gäste sie denn hören wollen. «Aber wir haben beide ein gutes Sensorium für die Befindlichkeiten unserer Besucher», sagt Silvia. «Oft kommen Menschen zu uns, die einfach mal abschalten und Ruhe wollen. Und das können wir all jenen bieten, die hier einen ruhigen, ungestörten Urlaub verbringen wollen.»
Am Strand von Kenia
Aber selber Urlaub machen? Das war für die beiden lange ein Fremdwort: «Dann haben wir aber gemerkt, dass das Leben a, nicht nur aus Tieren, Stall und überhaupt aus Arbeit bestehen konnte und b, die Welt jenseits der Berge weitergeht und entdeckt werden will.» Ausserdem waren die eigenen Kinder den Kinderschuhen entwachsen und so begaben sich Sepp und Silvia auf Reisen. Zuerst Europa, dann Südamerika und Afrika. Und was sie sahen, gab ihnen zu denken. «Die Armut der Leute in Kenia etwa ist bedrückend. Einmal trafen wir einen Mann am Strand, der war stundenlang gelaufen, nur um eine Holzschnitzerei an Touristen zu verkaufen», erzählt Silvia. «Wir unterhielten uns mit ihm, erfuhren von seiner Familie, seinen Verhältnissen und seiner Arbeits- und Perspektivenlosigkeit.» Die beiden gaben dem Mann alles, was sie an Kleidern und Kosmetiksachen entbehren konnten und auch ein wenig Geld. «Einen so dankbaren und glücklichen Menschen habe ich vorher und nachher nie mehr gesehen», sagt Sepp. «Minuten später, nachdem er sich hinter ein Gebüsch verzogen hatte, tauchte er in den neuen Kleidern auf.»
Solche Erlebnisse haben die beiden Innerschweizer nachdenklich gemacht. «Du kommst dann heim, siehst all das Schöne und Gute, das wir hier in der Schweiz haben, die intakte Natur gerade hier auf dem Rossberg und du weißt das alles plötzlich wieder ganz anders zu schätzen.» Natürlich laufe auch hierzulande nicht alles immer bestens, bei weitem nicht, sinniert Sepp. «Aber wer hier jammert, jammert auf sehr hohem Niveau!»